Wahrscheinlich hat so jeder Mensch auf der Welt mitbekommen, dass es den USA endlich gelungen ist Osama Bin Laden zu schnappen und zu... Ja, ich denke, das weiß wirklich jeder. Aber hat denn jemand mitbekommen, dass Ratko Mladić ebenfalls von der serbischen Polizei aufgegriffen und an die UN übergeben wurde?
Tatsächlich habe ich das auch erst sehr spät mitbekommen. Während der "Sieg" der Amerikaner über den Terrorismus in den Medien rund lief wird vielleicht nicht mal jeder wissen, wer Ratko Mladić überhaupt war. Für mich jedoch hat dieser Name eine tiefere Bedeutung...
Tatsächlich habe ich das auch erst sehr spät mitbekommen. Während der "Sieg" der Amerikaner über den Terrorismus in den Medien rund lief wird vielleicht nicht mal jeder wissen, wer Ratko Mladić überhaupt war. Für mich jedoch hat dieser Name eine tiefere Bedeutung...
Während mein Vater jedes Jahr dort war und auch während des Krieges private Hilfsfahrten in das damalige Jugoslawien unternommen hat, verbrachte ich einen Sommer mit meiner Mutter alleine zu Hause in Deutschland, einen anderen mit meinen beiden Eltern auf Ibiza. Lange konnte uns der Krieg jedoch nicht zurückhalten und nach zwei Jahren fuhren wir endlich wieder hinunter. Ein trauriger Anlass, doch damals bekam ich meinen ersten Gameboy geschenkt. Nach vielen Jahren erfuhr ich von meinen Eltern auch den Grund: damit ich beim Auto fahren nicht zu oft aus dem Fenster sah und so mitbekam, was um mich herum vorging, schließlich war ich damals noch ein kleines Kind.
Tatsächlich habe ich damals nicht viel mitbekommen, zumindest habe ich es nicht verstanden. Das einzige woran ich mich noch erinnere ist der nächtliche Lärm und die Fährenfahrt. Ich verstand zwar nicht, was das sollte, aber mir ist damals dennoch aufgefallen, das sehr viele uniformierte Männer an und auf unserer Fähre waren und viel mehr kaputte Autos, als ich es damals von Kroatien gewohnt war. Die Kanonenschüsse, die ich nachts auf unserer sicheren Insel gehört habe, haben mich zwar auch stutzig gemacht, aber ich habe meiner Mutter geglaubt, als sie mir versicherte das wären bloß die lokalen Jugendlichen, "die etwas im Hafen herumballern". Ich war zufrieden und bekam nur nach und nach mit, was meine Mutter meinte wenn "Papa zwar nach Kroatien aber nicht zum Opa" fuhr. Im Radio schnappte ich zu der Zeit einige Namen auf, die ich mit kindlicher Naivität immer wieder vor mich hin plapperte. Bis meine Eltern mir wütend und mit Nachdruck befahlen diese Namen nicht mehr auszusprechen. An einige erinnere ich mich nicht mehr, andere finde ich auf den Listen der verurteilten Kriegsverbrecher von Den Haag und einen durfte ich vor kurzem auf in den Zeitungen und der aktuellen Ausgabe des FOCUS lesen: Ratko Mladić
Mittlerweile bin ich über die ganzen Dinge sehr gut im Bilde. Während ich älter wurde konnten meine Eltern die zerbombten Häuser nicht mehr vor mir verstecken, an denen wir auf der Fahrt in den fröhlichen Sommerurlaub vorbei fuhren. So erfuhr ich recht früh, was Krieg bedeutet und vor allem, was er, die Kriegsverbrecher und Volkshelden für die Menschen bedeutete. Wenn wir Rast machten begriff ich schnell, warum ich nicht einfach so in eine Wiese laufen durfte, auch wenn ich mir damals (zum Glück!!!) noch nicht bildlich vorstellen konnte, was eine Landmiene anrichten kann. Ab und zu erzählte mein Vater auch von seinen Fahrten in das heutige Bosnien, auf denen er Spielsachen, Waschmittel und Kleidung an Flüchtlings- und Waisenlager verteilte. Noch heute weiß ich nicht alles, was er damals erlebt hat, auch wenn er mir natürlich mit wachsendem Alter immer mehr erzählt hat, aber nachdem er mir erklärte, dass er die Szenen von damals teilweise immer noch nachts im Traum sieht, habe ich aufgehört ihn nach dem Thema zu fragen. Was ich über die politische Situation und die einzelnen Orte, die ich sonst nur vom Hören oder Straßenschildern kannte, weiß, habe ich mir alles aus Büchern aus der Stadtbibliothek und neueren Geschichtsbänden angelesen. Mein Vater konnte damals nicht verstehen, warum ich diese Bücher lesen wollte, aber ich hatte das Gefühl verstehen zu müssen, was meinen Freunden, meiner "Familie" und deren Land widerfahren war.
Heute, wo ich das Internet zur Verfügung habe, habe ich aufgegeben über das Thema nachzuforschen. Was ich in den Büchern gelesen habe reicht mir und meiner mittlerweile nicht mehr wirklich naiven Vorstellungskraft aus. Auch der Hass, den ich damals auf jedes Mitglied der serbischen Bevölkerung hatte, ist verflogen, der kroatische Nachkriegseinfluss hat nachgelassen und ich sehe, dass auf beiden Seiten menschenverachtend gehandelt wurde. Aber selbst da diese Ereignisse lange zurückliegen (nimmt man den Kosovovo-Krieg aus meiner Rechnung mal raus), wird mir immer noch mulmig, wenn wir auf dem Weg von der Autobahn zur Fähre an den in Schutt liegenden Häusern ehemaliger Jugoslaven vorbeifahren, bei denen man zur leeren Türöffnung hinein- und einem klaffenden Loch auf der Rückseite des Hauseheraus schauen kann. Jedes Mal, wenn ich den Torbogen in Zadar durchschreite, unter dem mein Vater vor fast 20 Jahren Zuflucht vor Granaten gesucht hat, bekomme ich eine Gänsehaut.
Zwar bin ich nicht unmittelbar (und wahrscheinlich nicht einmal mittelbar) von den Folgen und Auswirkungen des Krieges betroffen gewesen und mich plagen auch keine Alpträume, so wie meinen Vater, dennoch überkommt mich eine große Genugtuung, wenn ich lese, dass einer der letzten noch lebenden Kriegsverbrecher der Jugoslavienkriege endlich vor Gericht steht! Und mag er noch so alt sein, ich hoffe, dass er seine Strafe bekommt, auch wenn diese niemals gutmachen kann, was er der (vor allem muslimischen) Bevölkerung angetan hat.
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