15. Februar 2011

Ich und Blicke...

In meinem Eintrag über 5 Dinge, die ich nicht mag habe ich ja schon erwähnt, dass ich Blicke nicht ausstehen kann. Heute will ich diese Sache mal etwas klarer beleuchten und meine Gefühle dazu mal richtig in Worten formulieren.
Das Erste, was ich tun sollte, ist nocheinmal zu bekräftigen, wie sehr ich Blicke hasse. Auf der Straße, im Bus, in der Uni, beim Einkaufen und auch sonst überall in der Öffentlichkeit. Ich mag es einfach nicht, wenn mich jemand ansieht. Jedes Mal habe ich dabei das Gefühl, dass diese Leute irgendetwas Schlechtes über mich denken. Ich weiß, eigentlich sollte mir das egal sein, aber jedes Mal, wenn ich irgendwelche Blicke auf mir spüre, werde ich dieses Gefühl einfach nicht los. Selbst wenn da gar keine Blicke sind, das Gefühl ist immer da.

Sobald mich dieses Gefühl übermannt, fühle ich mich wahnsinnig unwohl. Ich werde nervös, hektisch und will nur noch weg, an irgendeinen Ort, an dem mich niemand ansieht oder wo ich mich halbwegs selbstsicher fühlen kann. Schon in der Grundschule musste ich die Erfahrung machen, dass einen wildfremde Leute Kinder aus unerfindlichen Gründen nicht leiden können und es einen auch sehr genau spüren lassen. So habe ich eine Art Paranoia vor Fremden entwickelt, auch wenn Menschen, je älter sie werden, ihre Gemeinheiten nicht mehr so öffentlich zur Schau stellen und man so zumindest vor den Feindseligkeiten Wildfremder sicher ist. Zumindest meistens. Ganz schlimm ist es, wenn ich irgendwo ein Lachen höre, beispielsweise im Bus. Mir drängt sich da unweigerlich der Gedanke auf, dass über mich gelacht wird und würde am liebsten im meinem Buch versinken.
Mittlerweile bin ich allerdings wirklich gut darin, mir das alles zumindest äußerlich nicht mehr anmerken zu lassen. Alle Versuche mir das alles als Einbildung einzureden sind gescheitert, aber ich lasse mich lange nicht mehr so sehr von diesem Gefühl der Unsicherheit beeinflussen. Ich habe kein Problem damit, vor einem Kurs ein Seminar zu halten, Fragen zu stellen oder vor einem Tutorium voller Studenten den Affen zu geben. Ich muss mich immer noch ziemlich überwinden, aber es wird von Mal zu Mal besser.

Eine Frage, die sich aber wohl so ziemlich jedem aufgedrängt hat, der mich kennt ist: Wieso ziehe ich mich dann so auffällig an? Warum versuche ich diese Blicke, die ich so sehr hasse, mit Absicht auf mich zu lenken?
Das ist sehr leicht zu beantworten. Irgendwann hielt ich es einfach nicht aus, diese abschätzenden Blicke zu spüren, wenn ich mit Jeans und T-Shirt durch die Gegend gelaufen bin. Ich konnte einfach nicht nachvollziehen, warum man mich, meiner Meinung nach, so dumm anschaute. Ich sah aus wie jeder andere auch. Etwas pummelig, aber noch lange nicht dick. Nicht gerade modern, aber auch nicht mit Klamotten von der Stange. Eigentlich war ich so richtig durchschnittlich. Ich hätte eigentlich gar nicht auffallen sollen, hätte unsichtbar sein sollen. So wenig ich das verstanden habe, so sehr habe ich mir gewünscht, wirklich unsichtbar zu sein...
Irgendwann gesellte sich dann ein weiteres Gefühl zu der Angst und Unruhe, die mir diese Blicke einjagten: Trotz. Reiner, kindischer und starker Trotz! Ich wollte den Leuten etwas zum anstarren geben und genau das haben sie bekommen!
Man mag es kaum glauben, aber seit dem fühle mich mich um so vieles (selbst)sicherer. Da ich jetzt genau weiß, warum die Leute mich anstarren, wenn sie es tun, macht es mir plötzlich nichts mehr aus. Es ist, als könnte ich ihre Gedanken und ihre Meinung über mich irgendwie steuern und so in die mir passenden Bahnen lenken. Dadurch, da es für mich nachvollziehbar wird, was sie von mir denken könnten, nehme ich mir selbst die Furcht vor den Meinungen, die andere Menschen über mich haben könnten. Man könnte es schon fast als eine Art Macht beschreiben, aber auch als ein Stück Selbstbestimmung, dass ich mir so zurückerobert habe, nachdem sie irgendein Idiot in der Grundschule mal aus dem Fenster geworfen hatte. Und ich halte sie fest, den sie gehört ganz alleine mir, die Selbstbestimmung!
Man könnte also sagen, dass ich von damals bis heute eine Art Metamorphose durchgemacht hätte. Vom hässlichen Durchschnitssentlein, das eigentlich nur in der Masse untergehen wollte, bis zum schwarzen, spitzschnäbligen Schwan. Und noch etwas habe ich mir angeeignet. Dieser Schwan kann nämlich auch weiß sein und unbescholten durch die Straßen gehen. Ich bin sehr stolz auf meinen Style, auf Nietenhalsbänder, Springerstiefel und Korsetts. Aber was, wenn ich in der Uni ein paar wichtige Komitees-Mitglieder durch die Gegend führen muss? Was, wenn ich gerne ein Praktikum bei einem seriösen Laden machen möchte? Was, wenn Oma und Opa zur Feier geladen haben und ich nicht will, dass sie noch am selben Abend wegen eines Herzinfarktes dahinscheiden?
Es ist für mich sehr wichtig geworden, auch 'normal' und angepasst aussehen zu können, denn in manchen Situationen kann es (überlebens-)notwendig sein einfach so auszusehen wie alle anderen auch und nicht aufzufallen. Vor allem, wenn es um einen zukünftigen Arbeitsplatz bei einer Buchhandlung geht, kann ich nicht mit zerrissener Strumpfhose und "Arbeit ist scheiße"-Button anrücken. Da muss mal die weiße Bluse und der Nadelstreifenrock herhalten (auch wenn man Letzteren vor wenigen Nächten erst im Gothrock-Club getragen hat). Meine Kleidung ist mittlerweile genauso wandlungsfähig wie ich. Ich denke, das war auch Teil des Erwachsenwerdens...
Aber Blicke mag ich immer noch nicht!

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